Minimalismus ist in, juhuu. Wir lassen alle überflüssigen Worte weg und drücken uns per Stammel-Sprache aus.
- „Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn man nichts mehr hinzufügen, sondern nichts mehr weglassen kann“, sagte Antoine de Saint-Exupéry.
Und damit argumentieren die selbsternannten neuen Wortkünstler und Anhänger des Minimalismus (Goethe dreht sich in seinem Grabe herum). Doch hat Herr Saint-Exupéry denn seinen kleinen Prinzen in Stammel-Sätzen geschrieben? Beileibe nicht. Er hat eine flüssige, klare, bildhafte Sprache gewählt, die noch heute viele in ihren Bann zieht. Natürlich enthält ein guter Text idealerweise keine Füllwörter und keine leeren Worthülsen. Das heißt aber nicht, dass man keinerlei Nebensätze mehr verwenden soll. Und das heißt auch nicht, dass ein Text automatisch gut wird, wenn man kurz und knapp schreibt.
Eloquenz war gestern – Stammel-Sprache ist in
Vorbei die Zeiten, als man Goethes und Schillers fein ausgefeilte Sprache schätzte, die Adjektive nach Wohlklang aussuchte und die Worte kunstvoll aneinanderbaute. (Was für ein ekelhaft langer Satz…) Heute muss es ballern. Denn wir sind alle doof. Oder? Nein, wir haben keine Zeit mehr für lange Sätze. Nein, wir sind nicht mehr aufnahmefähig. Lange Sätze überfordern uns. Lange Sätze ballern nicht ins Gehirn. Oder?
Stimmt nicht. Der Minimalismus in der Werbesprache ist eine Kunst für sich, die nicht jeder Werbetexter beherrscht, nicht von Natur aus und nicht antrainiert. Punkt. Gebt es endlich auf, liebe Werbetexter-Kollegen dieses hilflose Gestammel als große Wortkunst zu verkaufen. Es zieht nicht immer!! Vor allem dann nicht, wenn nicht jedes Wort Gewicht hat.
Quadratisch. Praktisch. Gut., – das hatte Gewicht. Hatte. Jedes einzelne Wort hatte Gewicht und eine Aussage. Das gilt aber nicht für alle Bereiche, alle Attribute eines Produktes, alle Adjektive. Man bekommt nicht dadurch Gehalt in eine Aussage, dass man sich kurz fasst und einzelne Worte aneinanderreiht. Es muss schon ein besonderer und nicht alltäglicher Sinn dahinter stecken!
Sprache ist ein Fluß – lassen wir sie doch fließen
Kann dem Treiben also nicht mal jemand ein Ende bereiten? Lange Artikel, in denen ein Sachverhalt, ein Angebot geschildert werden müssen, kommen mit parataktischem Satzbau nicht aus. Es klingt verdammt noch mal nach Grundschuldeutsch, wenn man lauter abgehackte Hauptsätze aneinanderreiht. (Ich glaub es hackt, fällt mir da ein..)
Parataxe ist nicht das höchste Stilmittel der Wortkunst! Liebe Werbetexter, hört bitte auf so mit uns in euren Texten zu reden, wir sind Menschen.
Sprache ist ein weicher geschmeidiger Fluss. Wir lieben es, wenn es fließt. Sprache darf sich schlängeln, winden, anschmiegen und umschmeicheln. Harte kurze Sätze sind nicht immer die erste Wahl. Eher die zweite. Sie klingen nicht schön, sie lösen keine Harmonie aus. Sie wirken wie Befehle und stures Beharren auf einem Standpunkt. Weg damit. Jetzt. Sofort.
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