Ungewöhnliche Formulierungen: „Bleibt alles anders“ (H. Grönemeyer)

 

Mein Beitrag zur Blogparade „Das Jahr der ungewöhnlichen Formulierungen 2012″, von PR-und Kommunikationsprofi Dr. Kerstin Hoffman ins Leben gerufen. In ihrem Blog kann man alles über die Aktion lesen.


Es bleibt alles anders – für mich noch immer ein Knüller-Satz, obwohl das Album von Deutschlands Gesanges-Poeten Nr. 1  der 80er und 90er Jahre schon 14 Jahre alt ist.
Ein Satz, der mich damals sehr erstaunt und bewegt hat und der bis heute seine Wirkung und innere Wahrheit behält. Der ganze Songtext hält noch einige andere Überraschungen parat, wie „Du steigst nach unten, du fällst nach oben“.

Wer Schwierigkeiten beim Formulieren hat, ob beim Texten für Kunden oder für sich selbst, kann genauso wie der verehrte Herbert vorgehen:

– Gängige Formulierungen durchbrechen.

– Worte, die der logische Verstand folgen lassen würde, durch das Gegenteil ersetzen.

In der Literatur heißt dieses Stilmittel Parodoxon (von griech. Unerwartetes). Die Folge: Der Leser hält überrascht inne. Gerade hat er gelesen „Es bleibt alles..“ und erwartet „wie es ist..“, da kommt das „anders“ daher. Ein einziges Wort, ein Knaller.

Der Satz und Titel des Albums von Grönemeyer verfügt nur über diese drei Worte und sagt doch so viel aus. Anmerk. der Autorin: Ähnlichkeiten mit den drei anderen Worten sind jetzt rein zufällig und diese haben bekanntlich die verschiedensten Bedeutungen. „Beibt alles anders“ hat nur diese eine Bedeutung, eine spirituelle Wahrheit, die wir meist nicht annehmen wollen.  Im Übrigen gibt es für das „Bleibt alles anders“ auch eine alltägliche Entsprechung, die in der Wirkung aber nicht zu vergleichen ist, das leidende: „Nichts bleibt wie es war!“

Wir haben dabei sofort das Bild einer rührseligen ältere Dame im Kopf, die an früheren Zeiten hängt und sich hartnäckig einredet, dass früher (nämlich meist in der eigenen Jugend) alles besser war.

„Bleibt alles anders“ ist jedoch eine völlig andere Aussage als das trotzige „Nichts bleibt, wie es war“. So wie der Song nach vorne treibt, zum Aufstehen und zur Veränderung animiert , so wirken auch diese drei kurzen Worte:

Sie ermuntern zum Aktiv-Werden, Weitergehen und verbieten es  sich hängen zu lassen.

Es hat auch etwas sehr Beruhigendes, dass alles anders bleibt: Es bleibt also dabei, dass sich in unserem Leben ständig etwas bewegt und Neues passiert, auch Schlechtes bewegt sich dadurch von uns weg.

Unangenehm wird die ständige Bewegung nur, wenn man gar nicht mehr mitkommt. Der Grund dafür ist aber meist festgefahrenes Denken. Blockaden im Denken und in der eigenen Meinung müssen immer mal wieder gelöst werden, so wie verspannte Muskeln.

Um diesen philosophischen Exkurs zu beenden und wieder auf das Thema Formulieren zurückzukommen: Eine andere Möglichkeit wirkungsvolle Texte zu produzieren ist: Die Schwierigkeit, etwas auszudrücken selbst zum Thema zu machen. Aktuell hat dies Sänger Tim Bendzko zu seinem neuen Hit verholfen.

Warum nicht sagen, dass man etwas nicht sagen kann? Wirkt in jedem Fall authentischer, emotionaler und sympathischer als sich tausendfach vorher gesagter Worte zu bedienen, gerade im Gefühlsbereich.

Was für Songtexte nicht falsch ist, kann für Werbetexte und andere Textsorten auch nur gut sein. Hin und wieder einmal verdreht formulieren, mit den Erwartungen der Leser spielen, sie überraschen, vielleicht ein klein wenig provozieren. Alles, was die Leser bewegt, hat ihr Interesse geweckt. Ob dann auch ein Kaufinteresse besteht, kann im nächsten Schritt geklärt werden.

In diesem Sinne: Frohes ungewöhnliches Formulieren in 2012!

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