Texter sind gemein. Sie lesen tagtäglich gute und schlechte Webseiten und ihnen fallen Dinge auf, die anderweitig Berufstätige so nicht wahrnehmen können. Dabei ergibt sich dann mit der Zeit eine richtige No-Go-Liste für Formulierungen und Floskeln im Web.
Eine davon ist leider das beliebte „Herzlich Willkommen“ auf der Startseite. Im Internet macht diese freundliche Grußformel nämlich wenig Sinn.
Im realen Leben freuen wir uns über jedes „Herzlich Willkommen“ an Eingangstüren und sogar auf Fußabtretern. Immer wieder aufs Neue fühlen wir uns tatsächlich eingeladen, die jeweilige Schwelle zu übertreten. Auf der Webseite ist sie leider für die Katz.
Ein Relikt aus den Anfängen des Internets
Das „Herzlich Willkommen“ auf der Homepage stammt noch aus den Anfangszeiten des Internets, als noch nicht jedes Unternehmen eine Internetpräsenz vorzuweisen hatte. – Deswegen muss sich allerdings kein Leser alt fühlen, denn so lange ist dies auch noch nicht her ;).
‚Damals‘ hieß man seine Stammkunden aus dem realen Leben und Leser, die irgendwo die Webadresse gesehen haben, auch noch mal im Web herzlich willkommen. Heute führt fast jeder, der eine Dienstleistung anbietet oder etwas verkauft, eine eigene Webseite. Von mitteilsamen Privatpersonen ganz zu schweigen. Nichts besonderes also, eine Internetpräsenz.
Das „Herzlich Willkommen“ wirkt nur beim ersten Besuch einer Seite
Rufen wir eine Webseite zum zweiten Mal auf, interessiert es uns in der Regel ‚herzlich‘ wenig, dass der Seiteninhaber uns willkommen heißt.
Wir wollen entweder etwas kaufen oder haben eine Information vergessen. „Herzlich Willkommen“ wirkt nun wie eine bereits gelesene Geburtstagskarte ohne besonderen Inhalt von entfernt Bekannten.
Die Grußformel impliziert, dass der Seitenbesucher auch auf der Seite verweilen will
Macht es im realen Leben Sinn, einen Kunden willkommen zu heißen, weil er sich entschlossen hat, einen Laden zu betreten, wirkt es im Netz leicht lauernd.
Der Seitenbesucher hat sich vielleicht noch gar nicht entschlossen, auf der Seite zu bleiben. Meist surft er nur gerade vorbei oder hat einen Link angeklickt. Ob er bleiben will, entscheidet sich erst, wenn er weiß, worum es auf der Seite geht und ob er vom Angebot irgendetwas benötigt.
Eine Webseite ist bildlich betrachtet kein geschlossenes Gebäude
Viele sehen in ihrer Homepage die virtuelle Entsprechung ihres echten Shops oder ihres Büros. Diese Vorstellung gilt aber nur bedingt. Eine Webseite ist offen und durchlässig, am ehesten kann man sie mit einem Schaufenster oder Plakat vergleichen.
Wir dürfen in diesem Schaufenster ruhig unsere Angebote ansprechend präsentieren und zum Kauf anregen oder marktschreierisch mit großer bunter Schrift den Kunden zu einer Aktivität animieren.
Alles ist gut, was dem Leser hilft, schnell zu erfahren, was er auf dieser Webseite bekommt.
Wen das Angebot nicht interessiert, der darf weiterziehen, denn kein Internet-Geschäft braucht jeden Besucher als Kunden.
Da wir an unserer Webseite nun keine Eingangstüre haben, macht unser Willkommensgruß auch keinen Sinn. Auf den Leser wirkt er in etwa so, als wenn er beim Schaufensterbummel von einem Ladenbesitzer aufgefordert würde, den Laden doch zu betreten. Ein wenig unangenehm.
Vom „Herzlich Willkommen“ zum „Besuchen Sie uns bald wieder“
Viele Seiteninhaber reagieren etwas traurig, wenn sie sich von dieser allseits beliebten Grußformel verabschieden müssen, wirkt sie doch so nett und heimelig. Ein kleiner Trost: Man muss nicht ganz auf freundliche Korrespondenz mit dem Leser / Kunden verzichten.
Hat der Leser sich entschieden, unser Angebot zu nutzen, etwas bestellt und sei es auch nur den Newsletter, dürfen wir wieder unsere gute Kinderstube auspacken und ihn nach Herzenslust mit Freundlichkeit und Dank überschütten. Hier ist der Phantasie wahrlich keine Grenzen gesetzt, allerdings der Länge des Textes!
Ein einfaches „Besuchen Sie uns bald wieder“ am Ende der Kaufabwicklung wirkt übrigens zeitlos freundlich und animierend.
In diesem Sinne, bis bald auf diesem Blog ;)
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